Raimund von Fugger und seine Frau Fürstin Wanda von Sulkowska
Wie man von einem sonderbaren dörflichen Grabstein in die weite Welt rutscht – Einige Fragen hab ich nicht beantwortet ..... (August 2013)
Ich sehe bei einem kleinen Ausflug in Oberschwaben eher
zufällig, auf dem Friedhof des Dorfes Rot (einige Kilometer südöstlich von
Laupheim), einen altersgrauen Grabstein. Rot ist überörtlich am ehesten
bekannt durch sein Museum "Villa Rot". - Die Inschrift auf dem
Grabsteinsockel erinnert an einen Freiherrn Raimund von Fugger, "Kämmerer
seiner Heiligkeit" (gemeint ist mit diesem heute nur noch wenigen Menschen
bekannten Ehrentitel ein Bediensteter eines Papstes für Geldfragen), und an
Raimunds Ehefrau, eine „Fürstin Wanda Sulkowska“.......
Wie kommt es , dass ein Freiherr eine Fürstentochter kriegt ? -
Wie kommt es, dass dieser Grabstein hier so einsam rumsteht? - Normalerweise
bilden Adeligen-Gräber ja ein "Nest".....
Mittels einiger Internet-Quellen schält sich dann ungefähr folgendes heraus:
Jener Raimund (oder in manchen Quellen mit Ypsilon geschrieben: Raymund) war
die Frucht aus einer Mesalliance eines Grafen Fugger der Linie
Kirchberg/Weißenhorn (etwa 20 Kilometer nördlich von Rot gelegen) und einer
nicht-adeligen Frau. Raimund wurde geboren 1870 in Oberkirchberg, 1912
heiratete er in Wien eben jene Wanda Sulkowska, zum Freiherr geadelt wurde
er 1915 und starb in Laupheim 1949.
Die MUTTER dieses Raimund war eine 1850 in Nürnberg geborene Elisabeth Roth,
die sich mit ihrem Grafen 1858 immerhin in CHICAGO verband und im Jahr 1900
in Oberkirchberg starb.
Der aus der Mesalliance hervorgegangene Sohn erhielt mit „Raimund“ einen
Vornamen, der schon seit Jahrhunderten bei den Fuggern geläufig war, aber er
erhielt kein Adelsprädikat außer diese drei Buchstaben "von" zwischen Vor-
und Nachnamen. "Freiherr" wurde Raimund erst in vorgerücktem Alter, infolge
einer sogenannten Nobilitierung durch den damaligen König von Württemberg.
Das war während des Ersten Weltkriegs, also zu einer Zeit, als dieser König
nicht mehr lange König blieb und damit auch das Recht des Adeligmachens
verlor.
Warum Raimund den Titel eines Päpstlichen Kämmerers führte - wie mehrere
Mitglieder der Großsippe Fugger - weiß ich noch nicht, aber vielleicht wurde
dieser Titel in der Familie vererbt; ursprünglich, im 16. Jahrhundert, war
der Titel wohl eine Art Dank für finanzielle Hilfe der reichen Familie
Fugger an "Seine Heiligkeit" in Rom. (Eine der fürs Genealogische hier
verwendeten Internet-Quellen http://www.geneall.net/D/per_page.php?id=244539)
Auch die spätere EHEFRAU des Raimund ging - scheint mir - aus einer
Mesalliance hervor, weshalb es für sie wohl nicht schlimm war, einen
Nicht-Adeligen, aber wenigstens aus traditionsreicher Familie, zu ehelichen.
Fürstin Sulkowskas Vater war ein habsburgisch-schlesischer Magnat, ein
"Fürst von Bielitz" (heute Bielsko); er hatte sich verbunden mit einer Frau
mit dem schlichten (schwäbisch klingenden) Namen Gemperle, und er verband
sich mit ihr immerhin in einem anderen Erdteil, in den USA. Die Tochter aus
dieser Alliance war oder nannte sich „Fürstin“. Ob das irgendwelche
Hausgesetzen entspricht oder nicht, ist mir unbekannt. Aber das Dörfchen Rot
in Oberschwaben war von dem zu Wandas Geburtszeit noch habsburgischen
Bielitz weit entfernt. - Wanda Sulkowska wurde 1868 in Bielitz geboren und
starb 1930 in Gmunden ( wurde aber vermutlich, laut Grabstein-Inschrift, in
Rot beigesetzt).
Ihr Vater war der Fürst Ludwig Jan Alfred Sulkowski. Er war bereits zweimal
verheiratet und wurde jeweils Witwer, bevor er sich dann mit Maria Antonina
Gemperle (1832-1875, geboren in Albany im Staat New York) verband. Diese
beiden hatten neun gemeinsame Kinder, die ersten vier wurden noch in den
USA, in New Bremen, geboren, in den Jahren 1853, 1855 und 1858, ein weiteres
Kind kam zur Welt in Rorschach (Schweiz) und noch vier weitere in
Bielitz-Bielsko, zwischen 1866 und 1870. Der Sohn Edgar starb als letzter
dieser neunköpfigen Kinderschar, im Jahre 1954 in Gmunden.
Die "Villa Rot" (anfangs hieß sie natürlich „Villa Fugger“) wurde im Auftrag
jenes Raimund von Fugger im Jahr 1912 erbaut. Architekt war Balthasar von
Hornstein-Grüningen (1873-1920). Dieser Balthasar zog sich die
Geschlechtskrankheit Syphilis zu, konnte daher, obwohl auch Offizier, am
Ersten Weltkrieg nicht teilnehmen und hat wohl auch seine Ehefrau mit der
Krankheit infiziert; diese wurde später ins „Irrenhaus“ in Schussenried
abgeschoben und starb dort auch. Es handelte sich hier um eine Maria Anna
Freifrau Köth von Wanscheid, geboren 1876 in Lörgenloch / Rheinhessen,
verheiratet 1905 in Dirnstein / Rheinpfalz und gestorben am 10 Juni 1945 in
der Heilanstalt Schussenried
Der Vater von Balthasar war Edward von Hornstein, der eine umfangreiche
Familienchronik derer von Hornstein geschrieben hat (gedruckt 1912).
Mit Balthasar war sicher eine Alexandra von Hornstein (1903-1932) verwandt,
die in dem von Rot nur wenige Kilometer entfernten Schloss Orsenhausen
lebte. Jene Alexandra von Hornstein verwaiste früh, erbte aber stattlich,
unter anderem zwei örtliche Betriebe, die in der Inflation der 20er Jahre
nicht, wie Bargeld, zuschanden wurden, und sie konnte im Jahre 1925, also
mit 22 Jahren, von dem anscheinend inflationsbedingt verarmten Raimund von
Fugger die Roter "Villa Fugger" erwerben. Dort lebte sie mit ihrer Freundin
Feodora Christ einige Jahre, bis zu ihrem Selbstmord anno 1932. Das
Schlösschen in Rot vermachte sie vor ihrem selbstgewählten Ableben ihrer
Freundin Feodora.
Alexandra von Hornstein hatte einen schlimmen familiären Hintergrund. Ihre
Mutter Rosa Marie von Hornstein (1881-1922) tötete am 18. Dezember 1919,
ihrem 23. Hochzeitstag, ihre zweite Tochter Felicie mit einem Gewehrschuss,
bedrohte auch die Tochter Alexandra und deren Bruder Gustav (die aber lebend
davonkamen) und brachte sich später selbst um. Rosa Maria wurde von den
Behörden für unzurechnungsfähig erklärt und kam dadurch wohl um eine
Gefängnisstrafe herum.
Warum sich die Tochter Alexandra umbrachte, ist eben so wie die Schießaktion
ihrer Mutter Gegenstand von Spekulationen; EINE solche Spekulation lautet
"unglückliche Liebe zum Oberförster des Schlosses".
Feodora Christ konnte als Alleinerbin der Alexandra von Hornstein im Jahr
1933 ein stattliches Erbe antreten.
Sie und ihr späterer Ehemann Hoenes sammelten beide Kunst, vor allem
ostasiatischer Herkunft - ihre Sammlung wurde und ist bis heute der
Grundstock für das heutige Museum "Villa Rot", nachdem das Ehepaar Hoenes
ohne Kinder 1978 bzw. 1983 starb. - Hermann Hoenes (1900 -1978) war als
junger Mann ein erfolgreicher Musiker. Weil ihn die NS-Machthaber
verdächtigten, er sei jüdischer Herkunft, wurde er aus seinen Stellungen
gejagt, wurde aber nicht, wie viele andere jüdische Deutsche, deportiert und
umgebracht.
Ein kurioser Schlenker in die Gegenwart…..
Im Zusammenhang mit meiner Internet-Suche nach Angaben zu "Raimund von
Fugger" stieß ich auf einen Text (fast den einzigen NICHT-genealogischen),
auf die 2009 verfassten Erinnerungen einer im Jahre 1910, also 99 Jahre
zuvor, geborenen Frau mit verwandtschaftlichem Bezug zu Rot bei Laupheim.
Anna Moosmayer war die Tochter eines einstigen Chefverwalters der
Fürst-Zeilschen Güter, eines Dr. Viktor Moosmayer. Diese Anna Moosmayer
erinnert sich (auf einer gleichnamigen Website) als beinah Hundertjährige
daran, dass jener oben erwähnte Raimund von Fugger aus Rot ihr Taufpate
hätte werden sollen, wenn,…. ja WENN sie als JUNGE zur Welt gekommen wär und
nicht - wie leider der Fall - als Mädchen. Dem Herrn Raimund von Fugger die
Patenschaft für ein MÄDCHEN zumuten, das ging anscheinend für ihre sehr
konservativen (und wohl standesorientierten) Eltern oder für jenen Raimund
von Fugger nicht an.
Jene Anna Moosmayer ist ein eigenartiger "Fall", der mich an den derzeit (im
Sommer 2013) aktuellen Fall „Gustl Mollath“ erinnert. Frau Moosmayer wurde
als fast hundertjährige von einer zuständigen staatlichen Stelle unter
Betreuung gestellt, als Betreuer wurde aber nicht der mit ihr verheiratete,
freilich nur halb so alte Ehemann ausgewählt, sondern jemand anders, und
dann wurde Anna auch noch entsprechend richterlicher Anordnung unter Zwang
in die Psychiatrie und dann in ein Pflegeheim eingewiesen. Dem Ehemann wurde
der Umgang mit ihr untersagt. Der Ehemann hat aber trotzdem mehrere Youtubes
gedreht, in denen seine Frau über das ihr - nach ihrem Empfinden - angetane
Unrecht klagt und die Vorgänge aus ihrer Sicht darstellt. Der Ehemann hat
mehrere Texte über die anscheinend sehr unfaire Behandlung seiner Frau ins
Internet gestellt und eine eigene Website mit den Namen seiner Ehefrau
geschaffen, auf der auch der oben erwähnte Lebenslauf aus der Feder der
99jährigen Frau stammt. – Herrn Moosmayers Kritiker scheinen ihn für einen
Querulanten zu halten - aber genau dieser Vorwurf wurde und wird ja auch dem
bayerischen, seit Jahren in eine psychiatrische Anstalt zwangseingewiesenen
Gustl Mollath gemacht….
Veit Feger, August 2013
|
|
|
Bilder: Der Grabstein Raimund und Wanda von Fugger auf dem Friedhof Rot bei
Laupheim und Details des Grabstein. Foto: Feger
eMail: Veit.Feger@t-online.de